Guten Tag!
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Oben News, unten Posts – gerade keine News, also Posts. Bis bald!

173 – Was ist eigentlich mit dem Satz „das hat mein Leben verändert“?

Heben wir uns diesen Satz für etwas Großes oder gar Großartiges auf? Schicksalsschläge, Lotteriegewinne, Ehen, Scheidungen? Das Leben ist auch dann anders als vorher, wenn sich nur eine Kleinigkeit geändert hat.

172 – Wenn ich weiß, dass ich kurzsichtig bin, sehe ich dann besser?

Wenn ich ein Problem im Auge behalte, habe ich immer noch ein Problem. Die Erkenntnis ist vielleicht der erste Schritt, aber erreicht ist damit noch wenig. Statt ewige Mühe zu investieren, ein Problem genau zu beobachten und es optimal in Worte zu fassen, sollten wir uns fragen, ob wir es nicht insgeheim behalten wollen.

171 – Wir belohnen die, die selten freundlich sind.

Wenn jemand seine Freundlichkeit zu einer begehrten Ressource macht, indem er damit sehr sparsam umgeht, sollten wir vorsichtig sein. Edle Metalle funktionieren so, aber in der zwischenmenschlichen Welt sollten wir lieber zu jemandem gehen, der öfter nett ist und nicht so tut als wäre seltene Zuneigung so etwas wie Gold, nämlich selten und genau deswegen wertvoll. Statt uns über „er ist nicht immer so unfreundlich“ zu freuen, sollten wir uns den Anspruch auf „er ist fast nie so unfreundlich“ erhalten oder zurückerobern, sollten wir ihn verloren haben.

170 – Sympathie ist oberflächlich.

Je genauer wir hinsehen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, auf etwas zu stoßen, das uns unsympathisch ist. Sollten wir deswegen aufhören, Leute gründlich kennenzulernen? Manche scheinen sich für diesen Weg entschieden zu haben. Es gibt allerdings nicht nur negative Überraschungen. Am Ende wird uns die Person vielleicht noch sympathischer, wenn wir sie erst einmal kennen.

169 – Wir können großzügig sein, bevor wir es uns leisten können.

Einige von uns hoffen auf einen Tag, an dem sie es sich leisten können, großzügig zu sein. Aber warum warten? Es gibt unzählige Möglichkeiten, es nicht zu vertagen, ein etwas besserer Mensch zu sein. Möglichkeiten, die nichts kosten. Wir müssen nur danach suchen. Und indem wir überhaupt suchen, haben wir schon etwas erreicht.

168 – Auf welche Art von Erfolg sind wir neidisch?

Klar, Erfolg wollen wir auch. Zwei Fragen stellen sich dabei: Hätten wir ihn gerne mit derselben Idee wie jemand anderes oder mit einer eigenen? Geht es darum, mit etwas Bestimmtem erfolgreich zu sein oder einfach um Erfolg an sich? Falls es der Wunsch nach allgemeinem Erfolg ist oder es um unsere eigene Sache geht, müssen wir niemandem seinen Platz streitig machen und das Ganze sieht nicht nach Neid aus. Wenn wir es allerdings auf den persönlichen Erfolg einer anderen Person abgesehen haben, sollte uns klar sein: Man beneidet andere meistens um das Ergebnis ihrer Arbeit, nicht aber um die Arbeit an sich.

167 – Es gibt viel mehr kleine als große Katastrophen.

Die großen Katastrophen lassen sich leichter befürchten, weil sie konkreter sind, sich besser für ein Gespräch eignen und häufiger in den Nachrichten auftauchen als die kleinen. Gerade die kleinen Dinge, die schiefgehen, sind aber viel häufiger, viel wahrscheinlicher und in der Summe viel gravierender. Leider erfordert es mehr Mühe, sie aufzuspüren und zu beseitigen. Und manchmal lassen sie sich gar nicht in Worte fassen oder sind fast unsichtbar, weil sie leise und langsam passieren.

166 – In schlechten Zeiten lässt es sich gut verhandeln.

Wenn es für uns selbst schlecht aussieht, sieht es oft genug auch für unser Gegenüber schlecht aus. Auch wenn der Spielraum zunächst eingeschränkt erscheint: Wir können immer noch an den eigenen Bedingungen festhalten. Auch in der Not kann man noch einigermaßen wählerisch sein und muss sich zumindest nicht über den Tisch ziehen lassen.

165 – Nostalgie ist meistens unvollständig.

Wer es gerne so hätte, wie es früher einmal war, möchte nie die Probleme zurückhaben, die es damals gab. Das Best-of der Vergangenheit wäre vielleicht willkommen, aber bei genauerem Hinsehen entpuppt es sich meist als ebenso überholt wie die alten Probleme.

164 – Wenn man bereit ist, lieber erst mal warten?

Zwei Gefühle treten oft gemeinsam auf: das Gefühl, dass es losgehen kann, und das Gefühl, dass es klug wäre, lieber noch ein bisschen zu warten. Am klügsten wäre es meistens, trotzdem anzufangen. Was sich als weise Vorsicht tarnt, ist oft nur ängstliche Lähmung.

163 – Wenn man das Gefühl hat, dass man etwas besser kann, könnte das stimmen.

Oft sehen wir etwas, mit dem wir unzufrieden sind und bekommen das Gefühl, eine bessere Lösung parat zu haben. Egal ob im großen oder im kleinen Maßstab, meistens bleibt es bei diesem Gefühl. Oft ist unsere Ahnung zu unkonkret und wir wissen nicht, wo wir anfangen sollen, um etwas zu verbessern. Oder wir trauen uns nicht zu, konkret zu werden. Trotzdem sollten wir dem Gefühl von Zeit zu Zeit trauen. Irgendwo müssen die guten Ideen ja herkommen.

162 – Manchmal ist man nicht der Typ, um eine Idee auch umzusetzen.

Denen, die gute Ideen haben, wird oft vorgeworfen, sie selbst nicht umzusetzen. Denen wiederum, die diesen Vorwurf aussprechen, fehlt es oft an zwei Dingen: an Mut für den ersten Schritt, ohne dabei einem Beispiel zu folgen und an der Idee selbst. Was wäre, wenn es nicht dieselbe Person sein müsste, die sich etwas ausdenkt und es dann umsetzt?

161 – Erst die Lösung oder erst das Problem verstehen?

Sicherlich ist oft genug Zeit für beides. Wenn es eng wird, ist die Lösung dringender. Dann sollte zuerst alle Energie daran gesetzt werden, das Problem tatsächlich zu lösen und es nicht nur gründlichst zu verstehen, aber immer noch damit dazustehen.

160 – Was ist das Geringste, was ich ausrichten kann?

Große Träume kennen wir alle. Ohne riesige Visionen wären einige Momente der Geschichte sicher anders verlaufen. Bevor wir uns aber daran messen und uns unter Druck setzen, weil wir nicht hier und nicht sofort den Lauf der Dinge für immer ändern können, sollten wir klein anfangen: Statt uns zu fragen, was das Größte ist, das wir uns vorstellen und erträumen können, sollten wir lieber überlegen, was das Kleinste ist, das wir sofort tun können.

159 – Ein Kompromiss ist höchstens angemessen.

Das liegt in seiner Natur. Sich Kompromissfähigkeit auf die Fahnen zu schreiben ist hochgradig beliebt. Was aber, wenn wir eine riesige Kette von Kompromissen anhäufen, nur weil sie im jeweiligen Moment der leichtere Weg waren? Am Ende stehen wir dann da und haben nichts wirklich so, wie wir es hätten haben wollen. Und: alle anderen auch nicht. Wir sollten nicht immer darauf pochen, dass eine Lösung dringend benötigt wird, sonst wird sie zur Lösung auf Kosten der Lösung. Sie wurde dann zwar erreicht, ist aber nicht gerade ein Meilenstein.

158 – Dass das Leben kurz ist, ist kein Grund sich zu beeilen.

Je öfter wir von T-Shirts und Kaffeetassen gepredigt bekommen, den Tag zu nutzen, desto mehr fühlen wir uns genötigt, möglichst viel in unsere Tage hineinzustopfen und uns zu beeilen. Gibt es nicht eine Grenze? Eine Weltreise in einer Woche zu absolvieren wäre unsinnig. Und wenn es uns irgendwo gefällt, wird das davon besser, wenn wir auf dem Sprung sind? Geht es also darum, möglichst alle Erfahrungen zu machen oder weniger, dafür tiefere?

157 – Neue Ideen sollten nicht an den alten gemessen werden.

Das war noch nie da, das wurde aus gutem Grund noch nie so gemacht, wo kämen wir da hin? Die üblichen Äußerungen beim Vergleich zwischen Neu und Alt. Wenn aber neue Ideen einen völlig neuen Bezugsrahmen mitbringen, wie sie es eben manchmal tun, womit sollen wir sie dann überhaupt vergleichen? Leider braucht es etwas mehr Mut als es bequem ist, um dem Neuen nachzugehen. Die meisten großen Erfindungen der Vergangenheit haben sich jedenfalls erst hinterher, bestenfalls währenddessen, erschlossen und niemals vorher.

156 – Wann sollten wir unfair sein?

Auch wenn die meisten nicht gerne unfair sind: An welcher Stelle könnten wir uns mit Leichtigkeit einen Vorteil verschaffen? Vielleicht sind wir übersensibel und es geht gar nicht um Fairness, sondern um den fehlenden Mut, etwas gut zu können und das zu nutzen. Unsere Fähigkeiten können wir auch ohne Schuld auf uns zu laden gewinnbringend einsetzen. Gewinnbringend für uns und andere.

155 – Opfer sein hat auch Vorteile.

Die wirklichen Opfer einmal ausgenommen: Warum kommt es einem manchmal so vor, dass Leute sich in ihrer selbstgewählten – und da liegt der entscheidende Unterschied – Opferrolle so wohl fühlen und sie um jeden Preis erhalten wollen? Der Gewinn liegt darin, das schlechte Gewissen anderer für die eigenen Zwecke einzusetzen. So können sie sich mehr erlauben, öfter etwas Besonderes sein und beschuldigen, wen sie wollen. In allen drei Fällen hindert das Gewissen andere daran, sie zu korrigieren.

154 – Nur weil man recht hat, heißt das noch lange nicht, dass es jemanden interessiert.

Wenn wir nachts auf einer völlig leeren Straße jemanden darauf hinweisen, dass er nicht über eine rote Ampel gehen soll, haben wir natürlich recht. Aber auf eine Art und Weise, die niemandem etwas bringt. Situationen wie diese gibt es immer wieder. Eigentlich haben wir recht, aber statt nur darauf hinzuweisen, sollten wir das Bewusstsein dafür schaffen, dass es überhaupt ein Problem gibt. Allerdings nur, wenn uns wirklich daran gelegen ist oder wenn Not am Mann ist, niemals aus Prinzip.

153 – Widerspruch ist eine Einladung.

Wenn jemand mit dem, was wir vorschlagen, nicht zufrieden ist, ist das zunächst Ablehnung und fühlt sich auch so an. Manchmal steckt darin aber der Hinweis, dass wir das Problem der Person noch nicht ganz verstanden haben. Mit einer besseren Lösung wäre die Person vielleicht zufrieden. Die Mühe rechnet sich nicht immer und manchmal will jemand gar keine Lösung. Sobald wir aber glauben, dass wir etwas auf der Spur sind, lohnt sich der bessere zweite Versuch.

152 – Alles scheint möglich zu sein – leider.

Wir haben das luxuriöse Gefühl, dass alles möglich ist. Wir haben dadurch leider auch die Möglichkeit, die eigenen Träume mit den Errungenschaften oder Träumen der anderen zu vergleichen. Das Problem dabei: Es wird immer jemanden geben, der unsere Ideen und das, was wir erreicht haben, beliebig überbieten kann. Und zwar genau in der Dimension, die uns gerade wichtig ist. Das, was uns selbst genug wäre, kann im Vergleich so schlecht aussehen, dass wir völlig unzufrieden werden. Selbst mit unseren Träumen. Aber: Dass alles möglich ist, heißt nicht, dass alles Pflicht ist.

151 – Welche Art von Reue ist es?

Es gibt den romantischen Konsens darüber, dass man nur bereut was man nicht getan hat. Um sich gegen Reue abzusichern, muss man aber nicht bei jeder Gelegenheit etwas möglichst Dummes tun. Es reicht auch, in den Momenten, in denen man zögert, zu fragen: Bin ich gerade kurz davor, etwas leichtsinnig zu tun oder etwas leichtsinnig sein zu lassen, was ich eigentlich tun sollte?

150 – Das Nein aus der Sicht des Neinsagenden.

Wenn wir ein Nein bekommen – auf welche Anfrage auch immer – haben wir zwei Möglichkeiten und sollten beide nutzen. Zuerst können wir es ganz in Ruhe bedauern, abgelehnt zu werden. Wir sollten aber außerdem die Perspektive wechseln und überlegen, was überhaupt dazu geführt hat. Und zwar nicht unter dem Gesichtspunkt, was wir falsch gemacht haben könnten, sondern einfach aus der Perspektive des Gegenübers. Vielleicht erfahren wir dann mehr darüber, was die Gründe sind und können besser damit umgehen.

149 – Möglichkeiten oder Kategorien?

Ab einer gewissen Anzahl von Wahlmöglichkeiten stellt sich oft etwas wie Lähmung ein. Wenn mir 100 Türen offen stehen, gehe ich am besten durch keine davon, sonst verpasse ich 99 andere. Dass man auf diese Weise 100 Türen verpasst, nimmt man in Kauf. Bevor man aber anfängt, jede einzelne der Türen mit den 99 anderen zu vergleichen und die Ergebnisse zu sortieren, sollte man lieber die Optionen kategorisieren. Die Speisekarte beim Chinesen ist nach Tieren unterteilt. Wer schon vorher weiß, dass es die Ente trifft, muss den Großteil der Karte nicht lesen. Die meisten Optionen werden irrelevant, ohne unattraktiv zu sein – es stellt sich nur nicht mehr die Frage, ob sie es sind. Funktioniert auch außerhalb der Gastronomie.

148 – Der Erfolg der anderen hat wenig mit uns zu tun.

Es ist schön, wenn wir denjenigen, die uns am Herzen liegen, dabei zusehen, wie sie erfolgreich sind. Bei allen anderen könnten wir vielleicht neidisch werden, hier sind wir relativ sicher davor. Vor allem freuen wir uns, wenn wir selbst zum Erfolg beigetragen haben. Sollte unser Gegenüber allerdings trotz unserer Hilfe scheitern oder nicht so weit kommen, wie wir uns das für ihn oder sie vorgestellt haben, sollten wir unsere eigene Identität nicht davon ankratzen lassen. Es fällt letztendlich nicht auf uns zurück, was andere tun, vor allem nicht bei Erwachsenen.

147 – Manchmal gibt es keine Antworten, nur Überlegungen.

Etwas abzuhaken schafft Zufriedenheit und Erleichterung. Aber dürfen wir uns erst dann an die Lösung eines zweiten Problems machen, wenn das eine, an dem wir gerade hängen, komplett aus der Welt ist? Wenn wir noch nicht soweit sind, einen Gedanken final abzuschließen, muss und darf es manchmal reichen, ihn vorübergehend in die mentale Hand zu nehmen, ein paar Überlegungen dazu anzustellen und ihn unfertig, aber einen Schritt weiter, wieder abzulegen und sich um etwas anderes zu kümmern.

146 – Auch andere haben ein Leben.

Manchmal scheint die Existenz anderer erschreckend flach. Warum stellen sie so wenige Fragen und interessieren sich für nichts? Abgesehen von den wenigen, die sich wirklich für nichts interessieren, kann man jedoch davon ausgehen, dass hinter jedem anderen Gesicht, das man so trifft, ein ganzes Leben steckt, das mit dem eigenen vergleichbares ist. Man sieht es nur nicht die ganze Zeit und nicht sofort.

145 – Besser oder neu?

Unzufriedenheit ist entweder ein Dauerzustand oder löst den Wunsch nach Veränderung aus. Im besten Fall gibt es etwas Offensichtliches, das anders sein sollte und einen klaren Weg, wie es verändert werden kann. Manchmal sind wir allerdings mit etwas unzufrieden, das wir komplett abschaffen und ersetzen könnten, statt daran zu arbeiten: Mühe in etwas Überflüssiges zu investieren und es zu verbessern ist zwar auch irgendwie Optimierung, aber eben die des Überflüssigen.

144 – Wenn wir angeben wollen, dann am besten indirekt.

Manchmal ist es nötig, andere auf unsere Qualitäten hinzuweisen. Nicht notwendigerweise um unser Ego zu befriedigen, sondern auch, um uns zu erklären. An dieser Stelle nicht angeberisch zu klingen ist der wesentlich sympathischere Weg. Also sollten wir lieber jemanden zitieren, der uns ein Kompliment gemacht hat, als es uns selbst zu machen. So sind wir nicht nur ein angenehmerer Gesprächspartner, sondern durch die Zeugenaussage auch glaubwürdiger.

143 – Wenn keine Zeit ist, wer ist der Dieb?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Wenn jemand anderes uns die Zeit stiehlt, müssen wir überlegen, ob wir das weiter zulassen sollten und im Rahmen der Möglichkeiten etwas dagegen tun. Wenn wir es allerdings selbst sind, die uns die Zeit stehlen, müssen wir erst recht handeln: Sinnvoll, angenehm oder unterhaltsam verbrachte Zeit ist hinterher noch da und wirkt nach. Vertriebene Zeit ist weg.

142 – Wir können aus dem lernen, was sich nicht erklären lässt.

Wenn wir etwas offensichtlich Unsinniges getan haben, ist es dann besser es zu rechtfertigen oder daraus zu lernen? Manchmal suchen wir hinterher nach Erklärungen, obwohl wir vorher auch keine guten Gründe hatten. Ursachen und Erklärungen, vielleicht sogar nachvollziehbare, gibt es im Nachhinein immer. Aber sie sind nicht dazu da, das Unsinnige zu verteidigen, wenn es schon längst nicht mehr haltbar ist. An dieser Stelle wäre es wohl vernünftiger, uns den Unsinn von ganzem Herzen einzugestehen und in Zukunft zu vermeiden.

141 – Regeln sollten Beispiele folgen.

Oft genug sieht es so aus, als würden Regeln und Gesetze nicht für die gelten, die sie aufstellen. Beim Befolgen von Regeln nach Ausnahmen und Hintertüren zu suchen fühlt sich dadurch gerechtfertigt an. Wenn wir in der glücklichen, aber auch undankbaren Position sind, Regeln aufzustellen, sollten wir uns deutlich sichtbar selbst daran halten. Zum einen, damit sich die Regel selbst einprägt, zum anderen, um deutlich zu zeigen, dass auch wir ernst nehmen, was wir sagen.

140 – Ratschläge sind selten objektiv.

Wenn wir darum gebeten werden, uns zu einem Problem zu äußern, müssen wir aufpassen. So eng die Sicht der Dinge sein mag, die derjenige hat, der uns um Rat fragt, so eng ist auch unsere. Seine Sicht bezieht sich auf seine Lebenswelt, wir beziehen uns wiederum auf unsere eigene. Manchmal schaffen wir es, zusätzlich auf das Bezug zu nehmen, was wir vom Gegenüber wahrnehmen. Einen kleinen Vorsprung haben wir also, vielleicht auch eine etwas objektivere Ansicht. Keinesfalls aber eine komplett neutrale. So außenstehend können wir gar nicht sein.

139 – Man kann Leute nicht nur bei Fehlern erwischen.

Andere dabei zu erwischen, wie sie etwas falsch machen, ist das eine. Sicherlich hat das seinen Platz, vor allem, wenn es darum geht, Schaden zu verhindern oder jemandem etwas beizubringen. Leute dabei zu erwischen, wie sie etwas richtig machen und mit unerwarteter Anerkennung zu Stelle zu sein, verhindert jedoch mindestens genauso viel Schaden, ermöglicht mindestens genauso viel Lernen und macht dabei viel mehr Freude. Auf beiden Seiten.

138 – Für immer gibt es nicht, so gut es geht aber schon.

Für immer bei jemandem zu sein, für immer etwas zu tun, für immer irgendwie zu sein: All das kann niemand glaubwürdig versprechen. Realistisch gesehen können wir uns so etwas nicht einmal wünschen. Etwas im Rahmen der eigenen Möglichkeiten möglichst gut und möglichst lange zu tun ist jedoch möglich. Im besten Fall wächst man dabei über sich hinaus und verändert den Rahmen der Möglichkeiten gleich mit.

137 – Eine Meinung alleine bringt nichts.

Allgemein gilt: Wer zu etwas keine Meinung parat hat, sollte sich ertappt fühlen. Ohne klare Position zu einem Problem steht man schnell auf einer Stufe mit dem eigentlichen Übeltäter. Eine starke Meinung verschafft uns das Gefühl, auch ohne eine Lösung nicht untätig zu sein. Konsequenterweise können wir uns die Meinung sparen. Die Energie lässt sich dann an anderer Stelle verwenden, um ein Problem wirklich zu lösen und es nicht nur irgendwie zu finden.

136 – Langeweile ist eigentlich Hunger auf mehr.

Bei der allgegenwärtigen Beschäftigungstherapie fällt es schwer, sich noch richtig zu langweilen. Von selbst kommt man kaum noch dazu. Es muss also absichtlich passieren. Dann bietet sich die Gelegenheit, in Ruhe die Frage zu stellen, was gerade wirklich gut wäre. So unangenehm die Antworten manchmal auch sein mögen, so sehr bringen sie uns weiter.

135 – Wer verwirrt ist, ist bereit etwas zu lernen.

So unangenehm es ist, nicht zu verstehen was gerade passiert: Es gibt in diesen Momenten Anlass zur Freude, denn es wurde das Bedürfnis geweckt, genauer Bescheid zu wissen. Und meistens kann man es sich erlauben nachzufragen und etwas Neues zu lernen.

134 – Wenn etwas uninteressant ist, können wir es interessant machen.

Wenn wir etwas Uninteressantes einfach liegen lassen, sparen wir Zeit. Manchmal kommt allerdings der Wunsch auf, eine Sache wäre interessanter. Die Lösung des Problems liegt dann nicht nur im Gegenstand selbst: Wir können ebenso etwas dagegen tun, indem wir so viele Fragen stellen, bis wir entweder wirklich in einer Sackgasse landen oder bis es wirklich interessant wird.

133 – Es gibt einen Weg, nie mehr traurig zu sein.

Das Geheimnis: einfach nur noch Sachen machen und Leute treffen, die einem völlig egal sind. Um beides ist es nicht schade, sollte es vorbei sein.

132 – Was wäre etwas wirklich Neues?

Es gibt zwei Sorten von Premieren. Die eine besteht darin, dass man etwas tut, das überraschend oder ungewöhnlich ist, aber vorstellbar und irgendwie passend. Mutiger ist es allerdings, etwas zu tun, von dem andere vorher nicht einmal gehört haben (oder nichts hören wollten). Sozusagen das Unerhörte, das bei allem Affront immer auch ein bisschen die Sehnsucht hervorruft, selbst den ersten Schritt gegangen zu sein.

131 – Gut genug ist gut genug.

Wenn etwas ausreichend ist, muss es nicht noch ein bisschen mehr als das sein. Optimierung und Wachstum sind völlig natürlich, nehmen aber oft einen zu hohen Stellenwert ein. Beruflich werden wir zum Ehrgeiz angehalten, privat machen wir das selbst, wenn uns gerade niemand zwingt. Niemand sollte faul werden, aber wenn etwas gut genug war, darf man ruhig damit zufrieden sein und muss nicht trotzdem fragen, was noch besser hätte sein dürfen.

130 – Priorität hat eigentlich keinen Plural.

Man erzählt sich ab und zu die Geschichte, dass das Wort Priorität bis vor kurzem nur im Singular anzutreffen war. Eigentlich einleuchtend, denn es kann nur eine Sache eine Liste anführen und vor allen anderen sein. So wichtig Platz zwei auch sein mag: um sich für diesen Moment den ersten Platz zu teilen reicht es nicht. Natürlich ist meistens mehr als eine Sache wichtig. Trotzdem können wir uns die Frage stellen, ob die Liste wirklich so voll sein muss und was zuerst dran ist.

129 – Würden wir uns selbst einstellen?

Sich über Kollegen, sofern vorhanden, aufregen: gerne. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir auch ab und zu Gesprächsthema sind. Unser stilles Ideal kann also sein: So arbeiten, wie wir uns gerne als Kollegen hätten. Das macht sich vielleicht nicht sofort bezahlt, aber vor sich selbst geradestehen können ist eine der wenigen Sachen, die absolut keine Nachteile haben. Nicht nur auf der Arbeit.

128 – Haben wir in letzter Zeit irgendetwas zum ersten Mal gemacht?

Routinen sind nötig, oft beruhigend und werden unbemerkt abgewickelt. Wenn wir sie nicht ab und zu hinterfragen, können sie veralten. Sie bleiben bis auf Widerruf bestehen. Wenn wir nichts tun, dann also für immer. Wenn wir ab und zu etwas Neues wagen und dabei feststellen, dass es schlechter ist als das Althergebrachte, können wir uns immerhin über unseren Mut freuen. Wenn es besser ist, wird der Mut sogar belohnt. Die Frage lautet: Wenn wir heute neu anfangen, würde dann alles, was wir uns aufbauen, genau so aussehen wie es jetzt aussieht? Sicher nicht.

127 – Andere arbeiten, aber wir betrügen?

Wenn wir sehen, wie anderen etwas gelingt, sind wir irgendetwas zwischen beeindruckt und gleichgültig. Meistens gehen wir aber davon aus, dass sie sich den Erfolg irgendwie erarbeitet haben. Bei dem, was uns gelingt, tendieren wir hingegen dazu, es für eine glückliche Fügung zu halten. Das kann so weit gehen, dass wir hoffen, nicht bei unserem offensichtlichen Betrug erwischt zu werden. Manchmal mag das angemessen sein, aber sollten wirklich zwei Maßstäbe für dieselbe Sache gelten, nur weil wir es sind und nicht die anderen, die Erfolg haben?

126 – Kleine oder große Schritte?

Manchmal sind radikale Veränderungen angebracht. Viel häufiger aber tut man gut daran, einigermaßen realistisch zu bleiben und sich im Kleinen weiterzuentwickeln. Konstant wenig zu tun ist leichter zu gewährleisten als einmal alles. Eine Sache jeden Tag ein Prozent besser zu machen und damit nach einem Jahr gut 37 mal so gut dazustehen wie vorher ist eine beliebte Rechnung hierzu, wenn man an Zinseszins außerhalb der Finanzwelt glaubt. Einleuchtend ist sie allemal.

125 – Angst vor Misserfolg oder Angst vor Erfolg?

So viel man auch aus Fehlern lernen mag: Scheitern ist unangenehm. Gar nicht erst anzufangen, aus der Angst es könnte schiefgehen, ist dann das eine. Nicht anzufangen, weil man Angst hat, dass es klappen könnte, ist das andere. Was würden wir denn tun, wenn wir ein Vorhaben erfolgreich umsetzen? Vielleicht haben wir Angst, wie ein unglücklicher Lottogewinner zu enden und verbleiben deswegen lieber im Mittelmaß, statt uns zu überlegen, wie wir mit Erfolg, der Verantwortung dafür und seiner Sichtbarkeit umgehen würden.

124 – Es gibt nicht nur falsche Antworten, sondern auch falsche Fragen.

Man sagt zwar, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern nur dumme Antworten. Es kommt aber darauf an, an wen man mit seinen Fragen gerät. Vielleicht erinnern sich manche an Schulzeiten oder denken an die Arbeit: zwei Felder, in denen man für zu viele und zu kluge Fragen Ärger bekommen kann. Zu viel Interesse an einer Sache gibt es nicht, taktisch unkluges Interesse leider schon.

123 – Wir müssen nicht immer fragen, wem etwas gefallen könnte.

Bei Weihnachtsgeschenken schon. Wenn es jedoch um andere Dinge geht, können wir uns weiter aus dem Fenster lehnen, als wir zunächst möchten. Große Ideen waren rückblickend oft unangemessen und der Mehrheit nicht recht. Sogar bei der Druckerpresse gab es Skeptiker. Es ist zwar ehrenwert, wenn wir niemandem auf den Schlips treten wollen, aber wenn es zum Besten aller ist, sollten wir es unseren Mitmenschen nicht ersparen.

122 – Erklärungen sind keine Ausreden.

Wenn wir einen Fehler gemacht haben, lässt sich dieser nachträglich meist gut erklären. Im besten Fall hat dann jemand anderes (oder wir selbst) Verständnis für uns und kann eine Entschuldigung annehmen. Was jedoch nicht passieren darf: Sich die erfolgreiche Erklärung merken und als Ausrede parat haben, wenn wir uns beim nächsten Mal keine Mühe geben, den Fehler überhaupt zu vermeiden.

121 – Tage sind leicht zu retten.

Es gibt Tage, an denen eine kleine Begegnung, Geste oder Äußerung das Ruder komplett herumreißt. Auch wenn wir den jeweiligen Tag schon abgeschrieben hatten. In diesen Momenten wird klar, wie sehr die allgemeine Stimmung von einer Kleinigkeit abhängt. Das bedeutet, dass wir für uns und andere mit wenig Aufwand aus einem bedeutungslosen Tag einen mit Bedeutung machen können. Die fünf Minuten Einsatz fehlen uns hinterher nicht, machen aber einen großen Unterschied. Ein guter Tausch, bei dem man ruhig einmal in Vorleistung treten darf.

120 – Langsamkeit und Souveränität sind sich sehr ähnlich.

Wenn wir uns langsam fühlen, hat das eine positive Seite: Langsamkeit, die aus Überforderung entsteht, bringt oft Sorgfalt mit sich. Dadurch, dass wir jeden Schritt bewusst gehen müssen und gerade keine hilfreiche Intuition haben, stellt sich die Sorgfalt fast schon zwangsläufig ein. Solange wir also in den Augenblicken, in denen wir nichts an Wissen und Können parat haben, nicht ins Straucheln geraten, wirkt was wir tun und sagen wohlüberlegt. Was sich für uns langsam anfühlt, kann nach außen durchdacht, ruhig und souverän wirken. Wir bekommen es nur gerade nicht mit.

119 – Machen wir nur das, was uns wichtig ist?

Auf die Frage, worauf wir wert legen und was uns etwas bedeutet, haben wir hoffentlich eine Antwort. So sehr man uns dann darin bestätigt: Es lohnt sich nachzusehen, wann wir das, was wir dann sagen, zuletzt verkörpern und umsetzen konnten. Wer sich dann nicht erschreckt, wie selten das ist, kann stolz sein.

118 – Wenn uns etwas beeindruckt, sehen wir nur das Ende.

Die Taten mancher um uns herum, ob geschäftlich oder privat, sind beeindruckend, zweitweise sogar einschüchternd. Wenn wir aber vor dem Ergebnis der Arbeit anderer stehen, sehen wir die eigentliche Arbeit nicht mehr. So leicht, wie alles jetzt aussieht, war der Anfang nur in den seltensten Fällen. Wenn wir uns dann wünschen, genau so beeindruckende Erfolge vorweisen zu können, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir uns die gesamte Arbeit mit dazuwünschen.

117 – Möglichkeiten kann man nicht nur finden, sondern auch herstellen.

Wenn ein Vorhaben unmöglich ist, liegt das manchmal an den Gesetzen der Physik oder an denen des Staats. Mit den gegebenen Voraussetzungen muss man sich meistens abfinden. Meistens, aber nicht immer: Die für uns richtigen Voraussetzungen zu schaffen liegt oft genug in unseren Händen. Wenn Schwerkraft und die Rechtsordnung nicht die wirklichen Hinderungsgründe sind, sollten wir uns manchmal neue Umstände schaffen.

116 – Gibt es eine einfachere Erklärung?

Wenn etwas passiert, hat das meistens Gründe. Wenn jemand etwas tut und das für uns Konsequenzen hat, neigen wir dazu, Absicht oder zumindest Nachlässigkeit zu unterstellen. Wenn dieses Denken zur Gewohnheit wird, schleicht sich das Gefühl ein, dass es die Welt auf uns abgesehen hat. Oft sind aber die einfacheren Erklärungen die zutreffenderen. So zentral, dass man es auf uns abgesehen hätte, sind wir für die meisten anderen nicht und die Mühe, einen teuflischen Plan auszuhecken, machen sich die wenigsten.

115 – Unsere Wohnung sollte unserem Charakter entsprechen.

Ob es nur ein Zimmer ist oder ein ganzes Haus: Wenn wir den Ort absichtlich gestalten, an dem wir wohnen, dann gibt es etwas, das nur uns gehört. Im Zeitalter des Teilens, in einer engen Stadt und in einem beschäftigten Leben ist es beruhigend, etwas nur für sich geschaffen zu haben – selbst wenn der Platz dafür nur gemietet ist. Und wenn man sich zwischendurch gerne selbst vergisst, kann dieser Ort daran erinnern, wer man eigentlich ist oder gerne sein möchte.

114 – Nur wir wissen, was wir eigentlich tun.

Andere sehen das, was wir uneigentlich tun. Das sehen wir auch, uns ist aber noch eine Ebene dahinter zugänglich: Die der Hintergedanken (ob gut oder schlecht) und der Zielsetzung. Für die anderen ist aber nur sichtbar, was wir machen und was unmittelbar daraus folgt. Wenn wir also missverstanden werden, lohnt es sich, ein paar der Dinge hervorzuholen, die andere nicht sehen können.

113 – Wenn die großen Entscheidungen schwer fallen, reichen auch viele kleine.

Für viele ist es unerträglich, die (vermeintliche) Kontrolle über die Zukunft zu verlieren. Wenn aber so gar nicht klar ist, wie es überhaupt weitergeht und was alles passieren kann, können wir uns immerhin noch auf die vielen kleinen Entscheidungen konzentrieren, die wir im Alltag zu treffen haben. Im Kleinen lässt sich einfacher die Kontrolle behalten, wenn wir sie denn unbedingt haben wollen. Die Zukunft ist meistens das Ergebnis vieler kleiner Entscheidungen, nicht weniger großer. Und wenn wir uns die großen Schritte nicht trauen, tut es auch die Summe zahlreicher kleiner.

112 – Wenn man vor etwas Angst hat, ist es wenigstens wichtig.

Sachen, die egal sind, werden nicht mit den größten Gefühlen bedacht. Wenn man sich über etwas freut, ist sein Wert unmittelbar zugänglich, sichtbar und genießbar. Etwas anders sieht das bei den Dingen aus, die Angst machen: Die ungenießbare Angst verstellt den Blick darauf, dass es sich dabei um etwas Wichtiges handelt. Vor unwichtigen Dingen hat man meistens auch keine Angst.

111 – Es gilt nicht nur Leute zu gewinnen, sondern sie auch zu behalten.

Jemanden einmal für uns zu begeistern fühlt sich gut an. Wir sind damit aber keinesfalls an einem Punkt, an dem die Arbeit getan ist, so dass wir uns zurücklehnen können. Die Idee, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, weist uns darauf hin. Wir müssen anderen nicht nur einen Grund geben zu kommen, sondern auch einen zu bleiben. Oder gleich mehrere.

110 – Wollen ist schwieriger als müssen.

Früher war vielleicht nicht alles besser, eines aber bequemer: Es war viel wichtiger, was wir müssen und sollen. Die Verantwortung für das zu übernehmen, was wir wollen – was wir uns selbst aussuchen und womit wir aus freien Stücken Erfolg oder Misserfolg haben – ist wohl eine relativ neue Problematik. Wer muss, muss wenigstens nicht die Verantwortung tragen. Wenn aber vieles erlaubt ist, müssen wir bessere und daher manchmal auch unbequeme Entscheidungen treffen. Und wir tragen vor allem selbst die Verantwortung.

109 – Anfang und Ende sind wichtiger als die Mitte.

Wie etwas beginnt und wie etwas aufhört – die seltsame Begrüßung, der traurige Abschied – prägt sich uns besser ein als alles, was dazwischenlag. Natürlich vergessen wir nicht die komplette Mitte, aber es ist leichter, sich an Ankunft und Abreise zu erinnern als an genau den dritten Urlaubstag. Wenn wir uns und anderen also eine schöne Zeit bereiten wollen, müssen wir uns vor allem um die beiden Endpunkte bemühen. Mit den richtigen Leuten füllt sich die Strecke dazwischen sowieso.

108 – Wenn es uns gibt, gibt es noch jemanden wie uns.

Manchmal fragen wir uns, ob wir mit etwas ganz alleine dastehen oder hoffen sogar, dass es so ist. Wenn wir aktuell keine Unterstützer haben mögen für das was wir denken oder tun: Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir mit unseren Gedanken oder Problemen nicht alleine sind. Dafür gibt es einfach viel zu viele Menschen, die die Chance haben, sich ähnlich zu sein. Um also Unseresgleichen zu finden, wenn wir sie vermissen, müssen wir den Anspruch auf Einzigartigkeit hier und da etwas einschränken.

107 – Lösungen sind selten die einzigen.

Wenn wir eine Lösung für ein Problem finden, ist es sehr wahrscheinlich, dass jemand anders für dasselbe Problem eine andere Lösung finden kann, einen anderen Weg geht und zum selben Ergebnis kommt. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Ansichten gleichzeitig richtig sein können.

106 – Man kann scheitern an was man will.

Scheitern ist, entgegen der landläufigen Meinung, immer eine Option. Keine, die man absichtlich wählen würde, jedoch immer ein möglicher Ausgang eines Unterfangens. Im Scheitern ein bisschen Kontrolle zu behalten fühlt sich gut an, deswegen können wir uns, sollte es dazu kommen, immerhin noch fragen: Scheitern wir an einer Aufgabe, die uns aufgedrückt wurde oder wenigstens an einer, die wir freiwillig angegangen sind? Ersteres ist frustrierend, entbindet aber immerhin von der Verantwortung. Letzteres kann von Zeit zu Zeit ein bisschen stolz machen, dass man zwar nicht den Triumph zu feiern hat, aber wenigstens die Verantwortung trägt, den richtigen Weg versucht zu haben.

105 – Manchmal liegt es nicht an der Motivation, sondern an der Aufgabe.

Wir wissen wie es sich anfühlt, unmotiviert zu sein. Manchmal müssen wir uns eingestehen, dass wir tatsächlich zu faul sind oder keine Lust haben. Manchmal müsste sich aber auch derjenige, der uns Aufgaben stellt, etwas eingestehen: Nämlich, dass diese es einfach nicht wert sind, verfolgt zu werden. Der Mangel an Motivation ist dann eher ein Hinweis und weniger ein Problem. Die Konflikte, die dadurch im Privaten und Beruflichen entstehen, sind offensichtlich. Aber es liegt nunmal nicht immer an uns. Außer natürlich, wir haben uns die Aufgaben selbst ausgesucht.

104 – Unsere Talente sind unsichtbar.

Zumindest für uns. So sind Komplimente oft nicht nachvollziehbar. Entweder, weil wir noch gar nicht auf die Idee kamen, unsere Aufmerksamkeit auf das zu lenken, wofür wir ein Kompliment bekommen haben oder weil die honorierte Eigenschaft für uns völlig selbstverständlich und nichts Besonderes ist. Auffallend gute Angewohnheiten sind eben genau das: Angewohnheiten. Daher sind sie weder neu noch aufregend – zumindest für uns selbst, die wir sie jeden Tag sehen. Wenn wir deswegen jedes Kompliment ablehnen, hat sich der andere umsonst bemüht. Bedanken sollten wir uns schon.

103 – Alte Höhen und Tiefen bereiten uns auf den nächsten Ernstfall vor.

So wenig Spaß es auch macht, die Tiefen zu erleben und so selten uns die Höhen vorkommen, so wichtig sind beide. Sie markieren den aktuell gültigen Rand dessen, was wir bisher erlebt haben und wahrscheinlich erleben werden. Gut, dass wir das alles überstanden haben. Und was haben wir davon? Die Extreme aus der Vergangenheit bereiten uns auf die Extreme der Zukunft vor. So, wie wir in der Vergangenheit reagiert haben, werden wir es wahrscheinlich auch in Zukunft tun. Wenn wir rückwirkend nicht damit einverstanden sind, was wir getan haben, ist jetzt die Zeit, sich aufs nächste Mal vorzubereiten. Und wenn es bisher noch gar keine Extreme gab, wird es Zeit dafür, sonst finden wir zu spät heraus, was wir damit anfangen würden.

102 – Ein gut formuliertes Problem ist schon fast wie eine Lösung.

Wenn wir zu denen gehören, die ein Problem nur bemerken und vielleicht ansprechen, sollten wir unsere Feststellung wenigstens in den Rang einer seriösen Diagnose erheben, am besten mit der gesamten Krankheitsgeschichte. Einerseits um nicht nur zu schimpfen oder resigniert zu schweigen, andererseits, um Ansätze für die Lösung zu erkennen. Um vielleicht doch noch die Seite zu wechseln und nicht auf der Seite des Problems zu stehen, sondern auf der Seite der Lösung. Ob das Problemfeld ein Spielfeld oder eher ein Schlachtfeld ist, kann man dann immer noch herausfinden.

101 – Sind wir Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Schnell stellt man fest, dass etwas nicht in Ordnung ist, im großen wie im kleinen Maßstab. Die weiterführenden Fragen sind aber diese: Haben wir selbst dazu beigetragen, dass der Zustand eingetreten ist, entweder direkt oder durch Unterlassung? Stehen wir stattdessen auf der Seite derer, die das Problem lösen können und wollen – oder beschränken wir uns auf die Diagnose?

100 – Das Wissen anderer ist immer gefiltert.

Bei aller Autorität der anderen und bei allem guten Willen ihnen gegenüber: Es gibt keinen Grund für die pauschale Annahme, dass die vorgetragenen Überzeugungen komplett rational und realitätsbasiert sind. Was man weiß wurde oft mit einem Ziel zusammengesucht: recht zu behalten. Wenn wir wirklich etwas von anderen erfahren wollen, sollten wir vor allem diejenigen fragen, die beweisen können, dass sie ihre Ansichten hin und wieder prüfen, erweitern, aktualisieren, ablegen oder ändern.

99 – An sich glauben klingt gut, aber keiner weiß so richtig wie man das macht.

Wenn man an jemand anderen glaubt, hat man dafür meist gute Gründe und kann durch die Distanz einigermaßen realistisch einschätzen, welche Chancen auf Erfolg bestehen. Für sich alleine ist das etwas schwerer. Entweder man vertraut in den guten Ausgang der Dinge und in die eigenen Fähigkeiten, mit denen man das Beste versuchen kann und hat so ein Fundament für seine Überzeugung. Oder aber es mangelt an Optimismus, vielleicht sogar mit gutem Grund. Dann einfach so, pauschal, an sich zu glauben, wäre absichtliche Naivität. Also gilt es zunächst herauszufinden, was man wissen und worauf man vertrauen kann, um sich selbst genau so realistisch einschätzen zu können wie andere.

98 – Wenn man etwas für jemanden tut, muss derjenige das auch wissen.

Tue Gutes und sprich darüber? So ähnlich ist es wohl. Manchmal, wenn wir etwas für jemanden tun, gehen wir still davon aus, dass der Beschenkte das auch mitbekommt. Später wundern wir uns, dass sich keiner bedankt hat. Den Dank einzufordern wäre die unelegante Lösung für das Problem, allerdings sollte es manchmal erlaubt sein, unseren guten Willen und die anschließenden guten Taten offensichtlich zu zeigen und nicht für uns zu behalten. Mit Angeberei hat das nichts zu tun: So leise zu sein, dass keiner etwas mitbekommt, ist falsche Bescheidenheit.

97 – Flexibilität ist schlecht für den Stolz.

Flexibilität als Gegenteil von Starrheit ist gut. Allerdings ist der Übergang von „ich komme mit wechselnden Anforderungen zurecht“ zu „ich mache alles, was man mir hinwirft“ fließend, problematisch und schwer zu erkennen. Wenn andere erkennen, dass sie mit jedem Problem ankommen können, und das auch ohne sich vorher selbst ein paar Gedanken gemacht zu haben, dann bekommen Verlässlichkeit und Flexibilität einen unangenehmen Beigeschmack. Man ist derjenige, der es schon richten wird. Meistens ist es dann zu spät, Grenzen zu setzen. Der Fokus auf das Eigene verschiebt sich: Wenn man sich den Ruf erst erarbeitet hat, in allen Lagen hilfreich zu sein, gilt es ihn auch zu erhalten.

96 – Wir lernen nur von denen, die es geschafft haben.

Die Erfolglosen sind oft auch die Unsichtbaren. Es bringt aber nicht nur etwas, zu verstehen, wie Erfolg zustande gekommen ist. Mindestens genau so wertvoll ist Information über Misserfolg. Leider schafft diese es selten bis an die Oberfläche, dabei gäbe es auch aus den Fehlern anderer eine Menge zu lernen. Auch, damit man sie nicht alle selbst machen muss.

95 – Keine Zustimmung zu bekommen ist nicht dasselbe wie Ablehnung.

Das Urteil anderer macht natürlich etwas mit uns. Aber auch wenn es negativ ausfällt, muss zwischen der Ablehnung unserer Aussagen und der Ablehnung unserer Person unterschieden werden. Erstere bietet die Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln, die zweite bietet eine günstige Gelegenheit, sich nach freundlicheren Leuten umzusehen oder selbst dazu zu werden. Es gibt eine dritte Möglichkeit: Vielleicht waren wir so vorsichtig, dass beim Gegenüber gar nichts angekommen ist. Eine eventuelle Abfuhr haben wir uns dann zwar erspart, bekommen haben wir dafür aber nichts.

94 – Wir treffen uns mit anderen, sind dann aber gar nicht wirklich da.

Oft hangeln wir uns von Verabredung zu Verabredung, freuen uns auf die nächste, sind aber durch die letzte nicht spürbar unterhalten, schlauer, erleichtert oder zufriedener geworden. Die Momente, in denen man so etwas Ähnliches wie satt ist, nachdem man sich mit Leuten getroffen hat, sind selten. Das kann zum einen natürlich an den unbefriedigenden Leuten liegen, zum anderen aber auch daran, dass wir vielleicht gar nicht in der Lage sind, zuzuhören und etwas mitzunehmen.

93 – Wenn etwas leicht aussieht, muss es nicht immer leicht sein.

Das berühmte Beispiel mit dem Eiskunstlauf, der so leicht aussieht und so viel Arbeit ist, kennen viele. Aber auch in anderen Bereichen steckt viel mehr Arbeit als vermutet hinter dem, was einfach aussieht. An die Stelle zu kommen, an der alles mit Leichtigkeit abläuft, heißt: jemand hat so viel geübt, dass so gut wie nichts mehr schiefgeht. Von Anfang an leicht war das meiste für die wenigsten. Das gilt auch für die Dinge, in denen wir selbst gut sind und die wir deshalb weder bemerken noch würdigen.

92 – Nicht nur über Fehler ärgern, sondern auch die guten Dinge würdigen.

Zunächst klingt das nicht besonders einsichtsvoll. Aber wenn wir es genau nehmen, fällt auf, dass wir viel besser darin sind, uns auf die kleinen Dinge zu konzentrieren, die schiefgelaufen sind als auf die großen, die gut funktionieren. Niemand sollte jetzt aufhören, seine Fehler zu bemerken und daran zu arbeiten, nur sollte auch unser Blick dafür geschärft werden, was alles in Ordnung ist. Wir neigen dazu, das nicht zu bemerken. Die Realität möglichst einschätzen zu können heißt jedenfalls nicht, ein möglichst düsteres Bild von ihr zu zeichnen.

91 – Die eigene Ansicht sollte möglichst greifbar sein.

Es ist manchmal unangenehm, mit den eigenen Ansichten nach außen zu drängen. Wo aber ein Thema nicht ausgehandelt wird, ist man stillschweigend mit dem aktuellen Zustand einverstanden. Insofern kann es trotz aller entstehenden Reibung nur von Vorteil sein, wenn sich die Dinge daran messen müssen, was man so davon hält. Es geht dabei nicht in erster Linie darum recht zu bekommen und in der eigenen Sicht der Dinge bestätigt zu werden, sondern darum, dass die anderen (und vielleicht auch man selbst) nicht vergessen, dass es sie überhaupt gibt und dass sie klar formuliert ist.

90 – Hilfe von Unbeteiligten ist auch Hilfe.

Wir können nicht nur unsere Verbündeten um Rat fragen. Wir können mit unseren Fragen auch zu Leuten zu gehen, die sich nicht für das Ergebnis interessieren, das wir anstreben. Einen unverstellteren Blick als den gar nicht erst interessierten gibt es kaum. Wenn wir also ein wirklich unabhängiges Urteil wollen, sollten wir uns jemanden suchen, der nicht emotional, finanziell oder aus freundschaftlichem Pflichtgefühl davon abhängig ist, ob wir mit unseren Plänen scheitern oder ob sie gelingen.

89 – Die Leute um Rat fragen, die schon am Ziel sind.

Wir neigen dazu, die Auskünfte derjenigen in unsere Planung einzubeziehen, die genau so orientierungslos sind wie wir selbst. Klar, wenn wir ein Problem haben, wenden wir uns an die, die auch davon betroffen sind. Es kann schön sein, sich bei Gleichgesinnten gut aufgehoben zu wissen und Beistand zu finden. Bereichernd ist aber auch die Perspektive derjenigen, die das Problem gar nicht haben – entweder, weil sie es vermeiden konnten oder weil sie es zwar auch einmal hatten, aber eine Lösung gefunden haben. Vielleicht ist es nicht naheliegend, aber statt „was machen andere, die das gleiche Problem haben?“ sollten wir öfter fragen: „Was machen andere, die das gleiche Problem nicht haben?“

88 – Orte haben Funktionen.

Ein Raum oder eine Ecke darin können nicht nur irgendwie aussehen oder Ausdruck von uns selbst sein, sondern auch Funktionen erfüllen. Beispielsweise der Schreibtisch: Zum Arbeiten ist er gut, daran zu essen fühlt sich irgendwie falsch an. Im Bett am Laptop arbeiten ist ebenso unstimmig. Warum nicht also die Orte, die man zur Verfügung hat, gleich so einrichten, dass sie nur für eine Aufgabe zuständig sind? Die als Flexibilität getarnte Unordnung aufzugeben schafft physische und mentale Klarheit und neuen Platz.

87 – Was uns in 20 Jahren interessiert, wurde noch gar nicht erfunden.

Wir betrachten die Zukunft immer mit den Augen der Gegenwart. Logisch, die Augen der Zukunft haben wir noch nicht. Trotzdem ist es aufregend zu wissen, dass das, was die nächsten Jahre prägen wird, größtenteils noch gar nicht erfunden ist und sich nur leise ankündigt. Zumindest war es in den letzten Jahrhunderten so. Auch wenn es um kleine Erfindungen für den Alltag geht und gar nicht mal so sehr um große Revolutionen: Wir werden einigermaßen überrascht sein, trotzdem wird uns im Nachhinein alles schlüssig erscheinen.

86 – Die eigene Entwicklung ist in Teilen der Auftrag anderer.

Wir tragen zwar selbst die Verantwortung für unsere Weiterentwicklung, übernehmen müssen wir sie allerdings nicht alleine. Einfach delegieren lässt sie sich nicht, aber wir können uns absichtlich mit Leuten umgeben, die in manchen Dingen weiter sind als wir selbst und uns ein Stück mitnehmen. Unsere eigentliche Verantwortung ist es also, ein Umfeld zu schaffen, in dem wir gut vorankommen. Außerdem muss man dann nicht alle Fehler selbst machen.

85 – Wenn die Wahrheit gerade nicht verfügbar ist, reicht auch Ehrlichkeit.

Wenn wir nicht genau wissen was Sache ist, können wir uns immer noch zwischen zwei Dingen entscheiden: Wir können ohne Interesse an der Wahrheit einfach irgendein Statement abgeben und uns damit einen beliebigen Standpunkt zulegen, der uns nichts bedeutet. Oder wir können so ehrlich wie möglich bleiben, Lücken eingestehen und es zunächst dabei belassen, gute Absichten zu haben. Den Rest kann man googlen, jemand anderen fragen oder mit Mut zur Lücke einfach weglassen. Manchmal reicht es, sich eine Lücke zu erlauben und es damit so gut gemacht zu haben, wie es unter den gegebenen Umständen eben möglich ist.

84 – Wenn wir mit uns unzufrieden sind, ist der Grund oft guter Geschmack.

Wenn wir mit etwas unzufrieden sind, das wir selbst erschaffen haben, gibt es zwei Möglichkeiten. Ob in der Kunst oder auf der Arbeit: Statt nur selbst mit uns ins Gericht zu gehen und die Mängel unserer Werke zu bemerken, können wir uns zusätzlich darüber freuen, dass unser Geschmack schon weit genug entwickelt ist, die Mängel überhaupt zu bemerken. Unser Können wird mit der Zeit aufholen, wenn wir zwei Dinge schaffen: uns weiterhin an etwas zu stören, aber gleichzeitig den Mut nicht zu verlieren.

83 – Wir sollten auch unsere Feinde um Rat bitten.

Wenn wir diejenigen um ihre Meinung bitten, die uns nicht nahe stehen, können wir davon profitieren. Egal ob es um eine Antwort zwischen den Zeilen geht oder eine klare Ansage: Beides ist unangenehm und gleichzeitig wertvoll. Warum? Wer uns nicht nahe steht, hat keine Verpflichtung, uns mit seiner Ehrlichkeit zu verschonen und ein hartes Urteil zu ersparen. Unsere Freunde sind oft zu rücksichtsvoll für die ganze Wahrheit.

82 – Es gibt zwei Ebenen von Originalität.

Zum einen können wir andere damit überraschen, im großen und im kleinen Rahmen. Es geht allerdings noch einen Schritt weiter: Wenn wir uns selbst überraschen, haben wir zwar nur eine Person mehr überrascht als vorher, aber immerhin sind das dann wir. Wo liegt der Unterschied? Bei uns selbst ist es viel schwerer, Dinge nicht kommen zu sehen. Einen Versuch ist es wert.

81 – Ab und zu mal zu denen gehen, die uns widersprechen.

Was wir selbst denken, wissen wir meistens ganz gut. Wir sehen unsere Ansichten gerne bestätigt und es macht Spaß, recht zu haben. Es lohnt sich aber auch, denjenigen zuzuhören, die gegenteilige Überzeugungen haben. Dafür, dass es vorübergehend unangenehm wird, bekommen wir als Gegenleistung die Möglichkeit, unsere Ansichten zu überprüfen, zu erweitern und zu festigen. Und wenn wir uns einem Schwarzmaler gegenübersehen, können wir immerhin noch davon profitieren, dass er die Schwachstellen in unseren Überzeugungen routiniert ansteuert und uns darauf hinweist. Er arbeitet für uns, ohne es zu wissen.

80 – Nachmachen oder vormachen?

Etwas sehen, irgendwie inspiriert sein, es nachmachen und dann mit etwas dastehen, das so ähnlich ist wie das, was man gesehen hat: ein sicherer Weg, aber ohne Luft nach oben. Irgendwer muss der erste gewesen sein, der eben kein Vorbild hatte und nicht von irgendwoher das Okay bekommen hat, loszulegen. Wenn wir lieber diese Haltung kopieren und uns auf unsicheres Terrain begeben, ist manchmal mehr zu holen.

79 – Ab und zu mal fremd sein ist nützlich.

Wenn jemand nicht dazugehört, ist das meistens deutlich erkennbar. Wir müssen hier gar nicht von einem ganzen Land reden, es reicht schon ein Esstisch als Beispiel: Wer neu oder anders ist, ist mal willkommen und mal nicht. Und wenn wir selbst fremd sind, spüren wir das deutlich. Wofür ist fremd sein eigentlich gut? Es ist eine Gelegenheit, von außen etwas Neues zur eigenen Identität hinzuzufügen – oder es sein zu lassen, weil man für den Moment vollständig genug ist.

78 – Wir brauchen große und kleine Schritte.

Lieber erstmal klein anfangen, nicht zu viel riskieren und vorsichtig vorgehen: Manchmal sind kleine Schritte genau richtig. Gleich mit einem großen Schritt anzufangen kann ebenso berechtigt sein. Wenn jeder einzelne kleine Schritt mit Mühe und Angst verbunden ist, eignet sich ein einziger großer Schritt besser, um sich nur einmal und nicht mehrmals aufraffen zu müssen. Wer Angst vorm Zahnarzt hat und vier Weisheitszähne loswerden muss, kann sich überlegen, ob viermal Angst zu haben (vielleicht sogar jedes Mal ein bisschen mehr) wirklich besser ist als einmal.

77 – Manchmal machen wir uns die Welt, wie sie uns nicht gefällt.

Pech und Glück haben wir alle schon gehabt, aber was das genau ist, hängt von den Umständen ab. Sich über rote Ampeln beschweren ist noch einigermaßen gewöhnlich, aber wenn dieselbe Person sich wenige Minuten später über eine grüne Ampel beschwert, weil sie lieber noch nicht weitergefahren wäre, wird klar: Man kann auch seines eigenen Peches Schmied sein.

76 – Manchmal ist es Zeit, um mehr Hilfe zu bitten.

Aus falschem Stolz keine Hilfe annehmen zu wollen oder gar darum zu bitten, ist eine Sache. Die andere: Die Bereicherung nicht erkennen, die die Gedanken anderer mitbringen können, auch wenn gar keine Notsituation vorhanden ist. Selbst wenn wir gar nichts damit anfangen können, was man uns vorschlägt: Dann wissen wir wenigstens, dass unsere eigenen Ansichten gefestigt genug sind, um beibehalten zu werden. Und auch der beste Chirurg geht mit seinem Blinddarm zum Kollegen. Der Perspektivwechsel bringt eine Menge Vorteile mit sich.

75 – Niederlagen sind manchmal wie ein Zuhause.

Es kann sehr entspannend sein, zu verlieren. Nicht mehr kämpfen, ein bisschen loslassen, die Konfrontation ist vorbei. Aber so wenig es meistens ums Gewinnen geht: Das Verlieren ist eigentlich kein schöner Ort, um es sich dort gemütlich zu machen.

74 – Gute Entscheidungen werden nicht immer unter Vorbehalt gefällt.

Möglichkeiten zu haben fühlt sich gut an, Möglichkeiten zu nutzen ist oft ein Wagnis. Warum eigentlich? Wenn uns 100 Türen offen stehen, freuen wir uns auf die großartige Zukunft. Wenn wir durch eine davon hindurchgehen und vielleicht 99 andere damit schließen, können wir uns aber möglicherweise schon über die großartige Gegenwart freuen.

73 – Auch andere haben gute Gründe für ihr Handeln.

Es erscheint oft schwer zu durchdringen, was genau jemanden dazu bringt hat, etwas zu tun. Im besten Fall wurden davor Überlegungen angestellt. Wir sind nicht die einzigen, die vorher überlegen, auch wenn es sich manchmal so anfühlt. So wenig wir also verstehen, was manchmal in anderen vorgeht, so schlüssig erscheint es ihnen selbst. Selbst vermeintlich unüberlegte oder fahrlässige Handlungen müssen für unser Gegenüber in diesem Moment die beste Entscheidung gewesen sein oder wenigstens naheliegend. Deswegen führt auch berechtigte Kritik selten zu einer Einsicht, denn sie stellt nicht nur die Handlung selbst in Frage, sondern auch alles, was dazu geführt hat.

72 – Wenn uns jemand von unserem Leben erzählen würde, würden wir eigentlich zuhören?

Oder würden wir uns eine aufregendere Geschichte wünschen? Falls letzteres passiert, müssen wir uns drei Fragen stellen: Sind wir zu sehr an aufregende Geschichten gewöhnt, so dass uns das Normale gar nicht mehr erreicht? Können wir einfach nur nicht zuhören, wenn jemand eine Geschichte erzählt? Das wäre beides eher harmlos. Oder liegt es tatsächlich am Leben selbst, weil wir uns zu lange nichts mehr getraut haben oder zu wenig schiefgeht?

71 – Wir hätten die Welt gerne in Schwarzweiß.

Oft lässt sich ein Streit erst dann beilegen, wenn zwischen den beiden Konfliktparteien sauber getrennt wurde und dann die bessere den Vorzug erhält. Die Verliererseite ist an dieser Stelle oft wenig einsichtig, da sie diese Aufteilung einfach umgekehrt vornimmt. Es ließe sich wohl eine Menge Frieden stiften, wenn sich beide in der Mitte träfen. Nicht unbedingt indem mit gespielter Friedfertigkeit ein Kompromiss eingegangen wird, mit dem beide hinterher genau so unzufrieden sind wie vorher, sondern indem die Definition der Seite, auf der man steht, ein bisschen aufgeweicht wird.

70 – Experten sind die, die genug Fehler hinter sich haben.

Wenn wir beeindruckt davon sind, wie jemand etwas erfolgreich hinbekommen hat, sehen wir nicht, um den wievielten Versuch es sich handelt. Jemanden außergewöhnlich gut arbeiten, leben oder sonst irgendetwas tun zu sehen hinterlässt oft den Eindruck, es wäre schon immer so gewesen. Die Fehlschläge, aus denen die betreffende Person viel gelernt hat, sehen wir logischerweise nicht. Warum also nicht alles, was heute schiefgeht, als Vorboten einer Zukunft sehen, in der man daraus gelernt hat?

69 – Wenn man alles wissen kann, muss man nicht mehr aufpassen.

Von überall zugängliches Wissen und die Möglichkeit, alle Fragen sofort zu beantworten, sind ein perfektes Backup für eigene Aufmerksamkeit und eigenes Interesse. Nachzudenken und sich zu interessieren kann man erschreckend gefahrlos sein lassen. Als ob man sich beim Klettern direkt in das Seil hängen würde, statt erstmal zu sehen, wie weit man kommt, bevor man es braucht.

68 – Muss man eigentlich alles irgendwie finden?

„Wie findest du eigentlich dieses und jenes?“ Wieso werden Leute manchmal ungehalten bis sauer, wenn man das nicht weiß und sich auch noch traut, das so zu sagen?

67 – Uns selbst raten, was wir anderen raten würden.

Wenn wir selbst Entscheidungen treffen, gehen wir häufig unnötig komplex vor. Wenn wir für andere eine Entscheidung fällen, berücksichtigen wir wesentlich weniger Faktoren. Wir freuen uns, dass wir um Rat gefragt werden, überlegen ein bisschen, haben meist relativ schnell eine Antwort, die kurz und übersichtlich ausfällt, bisweilen sogar radikal. Hinterher finden wir diese Entscheidungen ziemlich gut und wollen in unserem Eifer manchmal sogar andere zu ihrem Glück zwingen, weil wir eigentlich wissen was zu tun ist. Warum also nicht für uns selbst genau so vorgehen? Andere ertappen wir viel schneller in ihren Ausflüchten als uns selbst.

66 – Warum überlegen, wenn wir wissen können?

Bevor etwas unternommen oder unterlassen wird, werden allerhand Überlegungen angestellt. Bis zu einem gewissen Punkt sind Planung und Vorhersage noch hilfreich. Allerdings werden sie manchmal zum Versteck: Irgendwann sind wir so verstrickt in die Überlegungen, die alle im „Vorher“ stattfinden, dass wir uns gar nicht mehr auf den Weg ins „Nachher“ machen und im „Währenddessen“ herausfinden, was wir genau tun müssen. Lieber einfach nachsehen, was passiert, statt zu überlegen, was passieren könnte.

65 – Hatte vielleicht jemand anderes schon dasselbe Problem?

Zusammen mit Schwierigkeiten tritt oft das Gefühl auf, man sei der einzige Mensch, den sie betreffen. Das trägt entscheidend dazu bei, dass man sich machtlos fühlt. Wenn man sich jedoch klarmacht, dass die meisten Menschen eine Menge gemeinsam haben (sonst wären sie ja nicht die meisten Menschen), ist es auch sehr wahrscheinlich, dass irgendjemand bereits an derselben oder einer ähnlichen Stelle gescheitert ist. Warum sich nicht ein bisschen umsehen, gegebenenfalls die Lösung finden und sich daran bedienen?

64 – Etwas zu sagen ist wichtiger als etwas zu sagen zu haben.

Wir erwischen und selbst und vor allem andere dabei, wie so manche Antwort einfach nur um der Antwort willen gegeben wird. Manchmal sogar ohne großartig daran interessiert zu sein, ob sie wahr oder falsch ist, sondern nur um etwas gesagt zu haben. Statt wirklich zuzuhören liegt die Antwort schon bereit und wird abgefeuert, sobald eine kurze Pause des Gegenübers es zulässt. Am Ende fühlen sich beide Seiten wie Tennisspieler, die nur noch darauf hoffen, dass der Ball in der anderen Hälfte des Feldes zum Liegen kommt und eines um jeden Preis vermeiden wollen: sich zu fragen, was auf der eigenen Seite damit passieren soll.

63 – Liegt es an uns oder an den Umständen?

Wenn man es einigermaßen weit gebracht hat, kann man es sich sehr einfach wieder versauen. Klar, es gibt eine Menge Fälle, in denen einfach die Möglichkeiten beschränkt sind und man nicht weiterkommt. Oft liegt es aber nicht an der Realität, sondern am Umgang mit ihr. Wer also nicht weiterkommt, sollte sich vielleicht manchmal (aber nicht immer, sonst ist man irgendwann an allem selbst schuld) eingestehen, selbst entscheidend dazu beigetragen zu haben – oder, positiv formuliert: die Lösung selbst in der Hand zu haben.

62 – Es geht nicht nur darum, was wir alles machen, sondern auch darum, was wir alles nicht machen.

Klar, was man tut, fällt auf. Großes zu erreichen findet gemeinhin eine Menge Beachtung, im engeren Kreise klappt das auch mit kleineren Errungenschaften. Viel weniger Arbeit ist es jedoch, bestimmte Sachen gar nicht erst zu tun. Nicht zu rauchen erfordert weder Planung noch Umsetzung (was natürlich ganz anders aussieht, wenn man zuerst damit aufhören muss). Nicht 5 Stunden am Tag vor dem Fernseher zu sitzen, wie man es dem Durchschnitt gerne nachsagt, ist auch keine Handlung, sondern eine Unterlassung. Beides schafft Freiheiten für Anderes. Man profitiert also eigentlich doppelt: Man spart sich die negativen Effekte, die eine schädliche Handlung so mit sich bringt und man kann mit der gesparten Zeit etwas Sinnvolleres anfangen. Oder einfach mal nichts machen.

61 – Es ist leichter, mit Leuten zu sprechen, wenn wir sie nicht wichtiger nehmen als sie sind.

Das soll nicht heißen, dass wir am besten auf alle herabschauen, damit wir möglichst entspannte Gespräche haben. Vielmehr ist es hilfreich, sich zu fragen, ob man unbewusst den Gesprächspartner auf ein Podest gestellt hat, auf dem er oder sie eigentlich gar nicht stehen müsste. Diese Angewohnheit, die sich als „der Respekt, der sich nunmal gehört“ tarnt, macht es oft für beide Seiten schwerer. Eine Seite fragt sich „was soll ich hier unten?“ und die andere „was soll ich hier oben?“, statt dass man sich einfach auf Augenhöhe begegnet.

60 – Manchmal müssen wir aushalten, dass wir nicht wissen, wo es hingehen soll.

Es wird ab und zu davon gesprochen, dass der klassische Lebenslauf ausstirbt. So richtig geradeaus scheinen jedenfalls immer weniger Leute zu gehen. Vielleicht müssen wir verstehen: Auch wenn wir einen exakten Plan haben, heißt das nicht, dass sich der Rest der Welt daran hält.

59 – Wer nicht ab und zu zweifelt, hat vielleicht nicht genau genug hingesehen.

An allem zu zweifeln endet in Resignation. An nichts zu zweifeln führt allerdings zu falscher Gewissheit. Wer zweifeln kann, braucht dafür eine gewisse Aufmerksamkeit für Details und Ungereimtheiten. Nicht ab und zu etwas zu entdecken ist weniger ein Hinweis auf gesundes Selbstvertrauen als vielmehr einer auf Blindflug.

58 – Bevor wir urteilen, sollten wir lieber neugierig bleiben.

Manchmal müssen Urteile gefällt werden und auch harte Urteile können sehr zutreffend sein. Oft verläuft es jedoch so: Ein Eindruck kommt – Schublade auf – rein damit – Schublade zu. Ohne dass das böse gemeint wäre und ohne dass Schubladen per se schlecht sind: Der zweite Blick kann sich lohnen. Entweder entdecken wir mehr als erwartet oder wir sind uns hinterher noch sicherer, was die richtige Schublade angeht. Positive Überraschungen sind jedoch gar nicht so selten, wie man vielleicht meint.

57 – Würden wir wirklich tauschen wollen?

Klar sind wir oft neidisch oder bewundern andere für das was sie tun oder haben. Wenn wir dann jedoch ehrlich sind: Würden wir wirklich tauschen wollen? Nicht nur in diesem einen Bereich, den wir sofort im Blick haben, sondern mit der ganzen Person? Die Antwort lautet erstaunlich oft – wenn nicht gar immer – nein.

56 – Was würden wir als erstes sein lassen, wenn wir zu wenig Zeit hätten?

Angenommen, uns würden ein paar Stunden pro Woche genommen werden. Was wäre das erste, das wir aus dem Kalender streichen würden, wenn wir uns frei entscheiden könnten? Der Job, eine Freundschaft, eine Krankheit? Nicht alles realistisch, aber: Manchmal reicht es, sich darüber im Klaren zu sein, auch wenn man vorerst nichts daran ändern kann. Vielleicht tut sich – oder man – dann doch etwas.

55 – Man braucht nicht alles, sondern nur viel.

Wir kennen alle den Sammler, der danach strebt, alles (also alle Briefmarken, alle Münzen) anzuhäufen, was sein Bereich hergibt. Weiß er, was dann käme, wenn er alles hätte? Vielleicht würde er merken, dass ihm die Jagd viel wichtiger war als die Beute. Warum also nicht mittendrin aufhören oder zumindest ein wenig entspannter an die Sache herangehen? Selbst der reichste Mann der Welt hat nicht alles Geld und die größte Briefmarkensammlung umfasst nicht alle Briefmarken. Es wäre ja genug, nur genug von etwas zu haben.

54 – Für uns gelten keine härteren Regeln als für andere.

Es gibt natürlich die Sorte Leute, die sich selbst über jedes Urteil erheben, dafür mit den anderen umso härter umspringen. Allerdings sind sie nicht in der Überzahl. Viel häufiger gibt es diejenigen, die mit sich selbst dauerhaft unzufrieden sind, und zwar nicht aus gesundem Ehrgeiz oder Antrieb heraus, sondern weil sie es sich zur Gewohnheit gemacht haben, ein hartes, ungerechtes Urteil über sich selbst zu fällen. Mit zweierlei Maß messen, aber zum eigenen Nachteil. Als würden den Spielregeln ein paar zusätzliche Blätter „nur für uns“ beiliegen, die viel schwerere Vorschriften und Maßstäbe enthalten als die, die für alle anderen gelten.

53 – Zeit findet sich nicht, man muss sie sich nehmen.

Klar gibt es die Dinge, die uns in den Schoß fallen, manche – oder die meisten – müssen wir uns allerdings selbst hineinlegen. Auf später vertagte Leidenschaften sind etwas, das wir irgendwann bereuen werden, wenn wir uns nicht wenigstens ab und zu auf einen Termin festlegen, an dem wir ihnen nachkommen. Und zwar nicht dann, wenn wir gerade nichts Besseres zu tun haben, sondern dann, wenn wir das Beste tun wollen. Wenn wir uns fragen, was wir wollen, müssen wir uns auch fragen, wann genau.

52 – Chefs muss man manchmal verständnisvoller begegnen.

Bei ihnen laufen nicht nur alle Fäden zusammen, sondern sie bekommen die Auslese dessen präsentiert, was schief läuft. Oft wird das, was gut funktioniert, zur Selbstverständlichkeit und bleibt, weil man sich nicht darum kümmern muss, unsichtbar. Die erhofften freundlichen Worte fallen ohne böse Absicht aus.

51 – Wir müssen Pausen ernster nehmen.

Für die Leute, denen es schwer fällt, Rücksicht auf sich selbst zu nehmen und die ihrer eigenen Auffassung nach keine Pause verdient haben, bis sie – mit was auch immer – „fertig“ sind: Wenn wir nicht ab und zu eine Pause machen, muten wir uns nicht nur selbst zu, komplett unausgeruht zu sein, sondern auch anderen. Wenn schon keine Pause aus Rücksicht auf uns selbst, dann aus Rücksicht auf andere.

50 – Sage nichts über andere, das du ihnen nicht direkt sagen würdest.

Lästern und tratschen bedeutet, im vertraulichen Gespräch Vertrauen zu brechen. Und zwar das Vertrauen anderen gegenüber, die gerade nicht anwesend sind. Auch wenn wir uns erhoffen, dadurch Intimität herzustellen, ist das eigentlich nicht sehr vertrauenswürdig.

49 – Manchmal sollte man etwas neues lernen, statt alte Ansichten weiter zu festigen.

Recht zu haben und in unseren Ansichten bestätigt zu werden, ist angenehm. Sich geirrt zu haben und durch neue Einsichten ein Stück weiterzukommen, ist unbequem. Eigentlich rechnet es sich aber: Auch wenn es vielleicht kurz unangenehm ist, hat man danach für den Rest des Lebens einen besseren Standpunkt. Ein schmerzhafter Moment für ein lebenslanges Upgrade. Man sollte sich wünschen, öfter mal falsch zu liegen.

48 – Beschäftigt sein und vorankommen ist nicht dasselbe.

Fühlt sich aber oft so an. Anstrengung muss doch irgendwann etwas hervorbringen. Zu tun zu haben beinhaltet aber nicht von selbst, dass man auch etwas erreicht. Man wird nicht dafür bezahlt, wie schwer man es bei der Arbeit hatte, sondern für das Ergebnis.

47 – Geben und nehmen müssen nicht an derselben Stelle erfolgen.

Wir bekommen etwas zu Weihnachten, haben aber selbst kein Geschenk. Für viele Leute peinlich. Aber rein rechnerisch betrachtet müsste es doch so aussehen: Wenn jeder von Zeit zu Zeit einer anderen Person etwas schenkt, sind irgendwann alle versorgt. Nicht sofort, nicht gleichzeitig, vielleicht auch nicht mit materiellen Geschenken, aber immerhin beschenkt. Es ist nicht nur an jeden gedacht, wenn jeder an sich selbst denkt, sondern – mit etwas Zeit – auch dann, wenn jeder ab und zu an einen anderen denkt.

46 – Wir unterschätzen, was wir schon wissen.

Wenn wir vor einem Problem stehen, suchen wir oft nach der großartigen, neuen, noch nie dagewesenen Idee, um es damit zu lösen wie noch niemand es bisher gelöst hat. Alternativ könnten wir auf altbewährte Mittel zurückgreifen. Nur müssten wir dann sofort anfangen zu arbeiten, während die Suche nach der optimalen Lösung alleine schon dadurch verlockend ist, dass sie die eigentliche Arbeit weiter nach hinten schiebt. Und sich trotzdem sehr sinnvoll anfühlt. So günstig wie bei der Informationssuche ist das Gefühl, etwas getan zu haben, selten zu bekommen.

45 – Bevor wir etwas besser machen wollen, sollten wir uns manchmal fragen, ob es nicht besser wäre, es sein zu lassen.

Wenn etwas nicht funktioniert, geben wir entweder auf oder wir versuchen es bei nächsten Mal etwas besser zu machen. Beides hat seine Berechtigung. Niemals aufgeben scheint für viele zum Mantra geworden zu sein, aber sich von ganzem Herzen von einer Sache zu verabschieden kann uns genau so weiterbringen, nur eben in eine andere Richtung.

44 – Wenn uns ständig jemand im Weg steht, ist manchmal auch der Weg das Problem.

Wenn wir auf Hindernisse stoßen, können wir uns um jedes einzelne kümmern, es überwinden und weiter vorangehen. Oder wir können uns fragen, ob wir überhaupt noch in der richtigen Richtung unterwegs sind. Solange wir nicht auf der Flucht sind, müssen wir einen Weg nicht zwangsläufig weiter verfolgen. Und wenn wir auf halber Strecke erkennen, dass wir in die falsche Richtung unterwegs sind, lohnt es sich nicht, den Weg zu Ende zu gehen.

43 – Eine Warnung kann auch bedeuten, dass wir erst recht weitermachen müssen.

Manchmal fassen wir einen Entschluss, kündigen ihn an, stoßen auf Widerstand und lassen ihn wieder fallen. Wir sollten manchmal das vehemente Widersprechen der anderen und ihre Warnungen anders verstehen: nicht als „tu das nicht, das ist gefährlich für dich“, sondern als „ich würde das nicht tun, mir wäre es zu gefährlich.“ Unseren Mut anzuerkennen fällt manch anderem schwerer als uns Leichtsinn vorzuwerfen.

42 – Lieber verstehen oder gleich antworten?

Wenn wir uns unterhalten und jemandem zuhören – vermeintlich zuhören – sind wir oft viel mehr damit beschäftigt, unsere nächste Antwort vorzubereiten und feuerbereit zu sein statt wirklich zuzuhören. Warum nicht öfter mal die Pause ertragen, in der wir uns unsere Antwort erst überlegen, nachdem der andere sein letztes Wort gesagt hat und auf dem Weg dorthin verstehen, was gemeint war?

41 – Man kann ruhig auch selbst eine Person sein, in die man sich verlieben würde.

Wenn gerade niemand da ist, auf den wir unsere Aufmerksamkeit und Energie richten wollen, warum nicht auf uns selbst? Schließlich können und müssen wir den Rest des Lebens mit uns verbringen. Bei allen anderen Menschen, die wir treffen ist das nicht so sicher. Manchmal leider, manchmal zum Glück. Eine Investition in sich selbst zahlt sich jedoch immer aus.

40 – Mut ist etwas anderes als sich zwingen, etwas zu ertragen.

Statt alles durchzustehen, weil wir denken, es würde von uns erwartet, einfach mal nein sagen? „Da muss ich jetzt durch“ ist schneller gesagt als wir darüber nachdenken können, ob es überhaupt sein muss. Klar dürfen wir nicht jeden Zahnarztbesuch absagen, aber das eine oder andere Nein wäre sicher mutiger als das viel zu oft geäußerte „na gut.“ Das, was für Mut gehalten wird, ist oft nur die Angst davor, etwas nicht zu tun.

39 – Wir wollen Zeit sparen, wissen aber gar nichts mit ihr anzufangen, wenn wir sie haben.

Erst einsparen, dann totschlagen. Wenn die Langeweile uns ereilt, fühlen wir uns vom Leben verraten, das eigentlich ständige Unterhaltung versprochen hat. Aber: Wann und wo ist dieses Versprechen eigentlich erfolgt? Irgendwie haben wir uns daran gewöhnt, ohne es jemals gehört zu haben. Vielleicht wäre es gut, wenn wir von Zeit zu Zeit der Langeweile ihren Platz zugestehen würden. Wer weiß, womit sich die freie Zeit füllen möchte, wenn wir sie nicht reflexartig vollstopfen.

38 – Manchmal ist es nicht nur wichtig, wie wir etwas beginnen, sondern auch, wie wir es beenden.

Statt etwas Unangenehmes auszusprechen neigen wir vielleicht dazu, uns langsam davonzustehlen, bis wir so unbemerkbar oder überflüssig sind, dass es für alle Beteiligten das einfachste ist, gar nichts zu sagen. Statt dass wir selbst etwas erledigen, warten wir, bis es sich selbst erledigt. Das ist jedoch unterlassene Hilfeleistung am eigenen Wohlbefinden, und zwar aus der Bequemlichkeit heraus, eine lange, aber dafür halbwegs erträgliche Wartezeit den sehr unangenehmen fünf Minuten im klärenden Gespräch vorzuziehen.

37 – Wenn wir mit etwas Erfolg haben, setzen wir unser neues Ziel gleich eins weiter.

Für manche ist das vielleicht die einzige Möglichkeit voranzukommen, aber es ist in jedem Fall ein Rezept für Unzufriedenheit. Ein bisschen Ruhe einkehren zu lassen scheint erst hinter dem Horizont möglich zu sein, den wir natürlich niemals erreichen.

36 – Manche Fragen sind zu schön, um sie zu beantworten.

Klingt romantisch! Vielleicht ist dieser Satz aber nur eine Ausrede, gewisse Fragen gar nicht erst zu stellen, weil uns die Antwort unangenehm sein könnte. Vielleicht ahnen wir ja schon, welche Antwort wir bekommen und bleiben deswegen lieber im Ungewissen, weil wir das Nein zwar erwarten, das Ja aber immerhin noch möglich wäre.

35 – Was wir nicht erklären können, haben wir auch nicht richtig verstanden.

Wir erinnern uns sicher alle an die Lehrer, bei denen wir einfach nicht kapiert haben, was sie uns vermitteln wollten. Vielleicht wollten sie uns gar nichts vermitteln? Ihr Studium scheinen sie zwar irgendwie geschafft zu haben, über die Themen wussten sie also einigermaßen Bescheid. Ein tieferes Verständnis von Dingen ist jedoch nur möglich, wenn wir sie nicht nur in unseren Kopf hereinlassen, sondern auch wieder nach außen tragen können.

34 – Wir wollen besser behandelt werden, als wir es selbst mit anderen tun.

Was du nicht willst, das man dir tu, etc.? Bekannt. Wahrscheinlich missachten nur wenige diesen Grundsatz absichtlich. Oft gehen wir aber davon aus, mehr verdient zu haben als wir bekommen, und auch mehr als andere bekommen. Beispielsweise Anerkennung für unsere Mühen, die niemand bemerkt hat (siehe unten). Wieso nicht davon ausgehen, dass andere sich dieselbe Mühe geben und dass manchmal wir es sind, die sie nicht bemerken?

33 – Mühe ist auch dann gut, wenn sie keiner bemerkt.

Klar, die Belohnung oder Würdigung durch andere fällt aus, aber immer noch besser, als sich keine Mühe gegeben zu haben und zu hoffen, dass man damit nicht erwischt wird. Es ist so zwar deutlich mehr Arbeit, seine Arbeit zu tun, aber vor sich selbst gut auszusehen macht Spaß.

32 – Hauptsache es versucht haben.

Wer immer nach bestem Wissen und Gewissen handelt, kann auch nach einem Fehlschlag einigermaßen zufrieden sein. Zwar nicht mit dem Ergebnis, aber immerhin mit dem Gefühl, es ehrlich und so gut wie möglich versucht haben. Nur wer nicht versucht, die Grenzen seines besten Wissens und Gewissens zu finden, kann den Fehler bei sich suchen.

31 – Organisiert sein ist nicht nur was für Spießer.

Organisation und Spaß wirken auf den ersten Blick wie Gegenpole. Wenn Struktur aber dazu dient, knappe Zeit besser zu nutzen, muss es damit auch möglich sein, sich unstrukturierte Zeit freizuschaufeln. Wenn nichts liegengeblieben ist, fühlt sich freie Zeit viel besser an. Unorganisiert sein und frei sein sind eben doch nicht das Gleiche.

30 – Wenn wir nicht um etwas kämpfen müssen, kann es trotzdem etwas wert sein.

Viele denken, sie hätten die Frucht ihrer Arbeit nicht verdient, wenn sie leicht zu erreichen war. Nur anstrengende Arbeit sollte belohnt werden. Geschenken sind etwas, das man bekommt, ohne es sich zu verdienen. Und wenn es einmal kein Problem gibt, haben wir es nur übersehen. Warum nicht akzeptieren, dass es manchmal einfach ist?

29 – Wir wissen zwar wer wir sind, aber der Rest der Welt sieht nur was wir tun.

„Eigentlich war das ganz anders gemeint und ich bin gar nicht so“. Es bringt nichts, das nur zu denken, ohne unser gegenüber zu informieren. Von innen kennt uns jemand anders nur selten, weswegen manchmal Erklärungen nötig sind. Warum jemand etwas tut, ist von außen jedenfalls nicht sichtbar.

28 – Wenn wir nicht selbst Prioritäten setzen, übernimmt das gerne jemand anders für uns.

Genug Verpflichtungen gibt es, genug Angebote auch. Wir müssen nur einen Job haben, zwei gute Freunde und eine Lieblingsserie, schon sind mindestens 60 von knapp 120 wachen Stunden pro Woche verplant. Aber: Das wäre nur die Hälfte. Es ist oft mehr übrig, als man glaubt. Darüber frei zu verfügen geht nur, wenn wir überhaupt wissen, wonach uns der Sinn steht. Was lohnt es sich also zu wollen und wann?

27 – Eine Frage hilft mehr als ein Wunsch

Wünsche und Träume gehören irgendwie dazu, aber von selbst erfüllt sich kaum einer von ihnen. Woher soll die Welt wissen, was wir von ihr wollen, wenn wir sie nicht fragen? Nur das Beste zu hoffen bringt nicht einmal beim Bäcker etwas. Wir müssen schon mit dem herausrücken, was wir gerne hätten. So unangenehm es manchmal sein kann, zu fordern.

26 – Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?

Schwarzmalerei hilft, wenn eine Entscheidung ansteht. Meistens stellt sich heraus, dass wir nur sehr unkonkrete Befürchtungen haben: Was genau uns aufhält wissen wir oft nicht. Entweder wir finden es mit Hilfe dieser Frage heraus und können es anpacken oder es gibt gar keine richtige Antwort darauf – dann steht auch nichts wirklich im Weg.

25 – Wenn man jemanden überzeugen möchte, dann nicht durch gutes Zureden, sondern dadurch, dass man ein stilles Vorbild ist.

Niemand lässt sich gerne missionieren. Wenn uns jemand durch eine Predigt weiterhelfen will, wird daraus nichts. Auf die Leute, die uns nachts zurufen, dass wir nicht über rote Ampeln gehen sollen, hören wir nur ungerne. Außer, wir haben darum gebeten, einen Rat zu bekommen. Andere zu ihrem Glück zwingen klappt jedenfalls selten, und so können wir nicht mehr tun, als für die, denen wir das Beste wünschen, ein Vorbild zu sein. Selbst Geschenke können bevormunden, egal wie gut sie gemeint sind.

24 – Wer äußeren Fortschritt macht, nimmt manchmal trotzdem das unerledigte Innere mit.

Mehr verdienen, besser aussehen, beruflich weiterkommen, irgendetwas kaufen, mehr haben – alles vielversprechend. Einen Schritt weiterzukommen macht natürlich auch Freude, aber löst nicht das Problem, auch in der neuen Situation der Alte zu sein. Egal wie sehr wir es uns wünschen, nicht nur irgendwie weiter, sondern auch jemand anderes zu sein.

23 – Beerdigungen

Eine Beerdigung ist der perfekte Ort sich daneben zu benehmen, da die Gäste den Anlass nicht für sich beanspruchen und sich daher nicht beschweren dürfen – und der Gastgeber sich nicht beschweren kann.

22 – Es ist so eingerichtet, dass wir nur das erreichen können, was wir sowieso schon erreichen.

Viel von dem, was wir als Alltag empfinden und aus dem wir manchmal gerne entkommen würden, haben wir uns selbst eingerichtet. Wir warten und hoffen auf Veränderung, sind aber gleichzeitig so eingebunden in das immer Gleiche, dass dafür gar kein Platz wäre.

21 – Wenn ich immer recht hätte, wäre ich der beste Mensch der Welt.

An unserem blinden Vertrauen ins eigene Urteil (siehe #15) muss etwas faul sein, jedenfalls steht noch kein Friedensnobelpreis im Regal.

20 – Lieber 100 Türen offenhalten, als durch eine gehen und 99 schließen.

Bevor wir für unsere eigene Entscheidung geradestehen (oder sie uns zumindest zurechtlegen und -biegen müssen), treffen wir lieber gar keine. Der sprichwörtliche „Massenmord an Möglichkeiten“ wird um jeden Preis vermieden. Der damit einhergehende Stillstand wird in Kauf genommen, gewonnen ist durchs Stehenbleiben selten etwas.

19 – Gute Vorsätze beruhen auf dem Missverständnis, dass man am 1. Januar als neuer Mensch aufwacht.

Unsere guten Ideen für die Zukunft ehren uns, und dass wir uns selbst nur das Beste wünschen, ist ganz sicher auch kein Fehler. Nur die Mühe, unsere Vorhaben umzusetzen, würden wir gerne outsourcen. Tun wir auch, nämlich an unser zukünftiges Ich. Dass der 1.1. dann allerdings ein „Jetzt“ ist, planen wir nicht mit ein und es überrascht uns, wo wir uns doch für „später“ alles so gut vorstellen konnten.

18 – Ein Zusammenbruch und ein Durchbruch fühlen sich kurz vorher ungefähr gleich an.

Wenn wir völlig überfordert sind, kann das mehrere Ursachen haben: Beispielsweise haben wir (oder jemand anders) uns zu viel aufgehalst und können die Anforderungen nicht mehr bewältigen. Oder: Wir stehen kurz vor einem Durchbruch, worum auch immer es sich handeln mag, beruflich oder privat. Noch ein bisschen länger aushalten und ein bisschen mehr investieren und es wird sich lohnen. Oder es ist eben doch Überforderung.

17 – Immer mal ein neues Problem zu haben ist ein deutliches Zeichen für Fortschritt.

Unsere Eltern scheinen stillzustehen. Jedes Mal dasselbe, wenn wir sie sehen. Wir wären dankbar für ein kleines Zeichen der Weiterentwicklung, wenn die ewig gleichen Diskussionen beim nächsten Mal wenigstens auf einem höheren Level stattfinden würden, wenn sie sich schon nicht um ein ganz anderes Thema drehen. Wer ab und zu mit neuen Problemen aufwarten kann, beweist damit wenigstens, die alten hinter sich gelassen zu haben.

Es geht gar nicht so sehr darum, irgendwann keine Probleme mehr zu haben. Vielmehr geht es darum, besonders gut zu werden, sie anzugehen und vielleicht sogar zu lösen. Vielleicht ist es ein erfülltes Leben, wenn man einmal alle Probleme ausprobieren durfte.

16 – An Menschen festhalten oder an Erinnerungen?

Wenn wir jemanden vermissen, tun wir das manchmal zu recht. Manchmal jedoch nicht, und dann müssen wir uns fragen, ob wir tatsächlich die Person vermissen, die der andere ist, oder ob wir uns an unserer eigenen Version dieser Person festhalten.

15 – Wir haben immer recht.

Jeder nach seinen Möglichkeiten, soviel ist klar. Aber wir gehen noch eins weiter, wir wählen nicht nur, sondern rechtfertigen auch, was und warum wir es wählen. Damit immer noch nicht genug, denn die anderen Möglichkeiten, die wir gehabt hätten, lassen wir nicht einfach Alternativen sein. Unsere Entscheidung muss vernünftig sein (schließlich sind wir es auch), deswegen wäre es unvernünftig gewesen, etwas anderes zu tun. Selbst ohne eine realistische Grundlage dafür zu haben, können wir uns immer in der trügerischen Sicherheit wägen, eine gute Entscheidung getroffen zu haben.

14 – Eine Möglichkeit oder ein schlechter Tausch?

Was wie ein ungünstiger Kompromiss erscheint, kann manchmal auch eine günstige Gelegenheit sein, etwas dazu zu gewinnen. Nicht unbedingt geschenkt, aber eben günstig zu bekommen.

13 – Alles ist großartig, aber keiner freut sich darüber.

Überall sind die Dinge amazing und incredible. Dass wahres Glück allerdings von innen kommt, ist eine der meistgehörten Weisheiten, die wir kennen und sie langweilt uns. Ob aber nicht doch was dran ist? Um uns herum gibt es eine Erfindung nach der anderen, die alles noch ein bisschen besser, aufregender, Entertainment-artiger machen soll und kann, aber wir sind jederzeit in der Lage, mit einem leeren Gefühl zurückzubleiben. Zumindest können wir durch das, was wir uns von außen zuführen, nicht komplett ausgefüllt werden. Und jetzt?

12 – Wer billig kauft, legt drauf.

Die Mutter eines Freundes hat gute 10 „günstige Digitalkameras“, jede einzelne ein bisschen besser als die vorherige, jede einzelne ein irgendwie sinnvoller Kauf. Kostenpunkt, gesammelt: 2-3 Profi-Geräte, von denen eins für alles reichen würde, was die 10 anderen nur so halb können.

11 – Was könnte ich weglassen?

Wenn wir nach einer Lösung suchen, suchen wir oft nach dem, was wir zusätzlich noch benötigen. Manchmal kommt man aber auch voran, wenn man etwas weglässt. Platz für Neues, manchmal bevor man weiß, was das Neue ist.

10 – Solange man einen Lieblingsfehler hat, gibt es etwas zu üben. Wenn man alle Fehler gleich oft macht, ist man am Ziel.

Wer einmal gelogen hat, dem glaubt man beim zweiten Mal eher nicht mehr. Wer zweimal denselben Fehler macht – und wenn wir es selbst sind – verdient nicht unbedingt Misstrauen oder Geringschätzung, aber zumindest mehr Hilfe und Aufmerksamkeit. Die Gelegenheit, aus dem Fehler zu lernen, wurde beim ersten Mal offensichtlich nicht gründlich genug genutzt. Fortschritt wäre doch, beim nächsten Mal an einer anderen, schwierigeren Stelle zu scheitern als vorher.

9 – Unterforderung ist schwer zu entdecken.

Wenn wir überfordert sind, merken wir das schnell. Alles erscheint uns mühsam, zu viel, unübersichtlich und erdrückend. Genau das sind allerdings auch die Zeichen von Unterforderung. Wenn wir uns fühlen, als wären wir nicht gut genug, ist der Grund aber nicht immer die eigene Unzulänglichkeit.

8 – Wenn die Zeit knapp wird, lassen wir zuerst die Dinge ausfallen, die uns gut tun würden.

Sind wir der Meinung, dass wir sie nicht mehr verdient hätten, wenn wir uns nicht an Deadlines halten können? Gut ausgeruht arbeitet man doch eigentlich besser. Nur leider fühlt es sich sehr produktiv an, sich Freude zu verkneifen.

7 – „Erreicht“ ist ein Wort, das selbst Richard Branson noch jagt.

Man will etwas erreichen. Um stolz zu sein, um etwas vorweisen zu können, vielleicht um ein bisschen anzugeben oder einfach um zu wissen, in welche Richtung es danach weitergeht. Vielleicht steckt aber auch die Sehnsucht dahinter, an einem Punkt anzukommen, an dem man dem ständigen Vorangehen entkommen kann, an dem man weit genug ist. Wie kommen wir eigentlich darauf, dass wir immer weiter müssen?

6 – Organisation ist nicht nur für Streber, sondern auch für Leute, die gerne leben.

Ein strenger Kalender und eine volle Todo-Liste sind Insignien des Beschäftigtseins (man sagt, „busy“ ist in gewissen Kreisen die aktuelle Standard-Antwort auf die Frage „how are you“). Vielleicht können die beiden aber auch dafür stehen, dass man einfach nur sehen will, wo im Kalender noch Platz für das wirkliche Leben ist.

5 – Langeweile überkommt uns nicht mehr, wir müssen sie aufsuchen.

„Nicht mehr“ klingt nach „früher war alles besser“. Entertainment gibt es jedenfalls eine Menge, vielleicht sogar wirklich mehr als je zuvor. Die ruhigen Minuten lassen sich mit allem Möglichen füllen, ertragen müssen sie wir jedenfalls kaum noch. Vielleicht wäre aber gerade das eine wertvolle Übung; wofür auch immer.

4 – Wenn wir beschäftigt sind, wollen wir eigentlich, dass nichts passiert.

Wir suchen uns Aufgaben – oder schlimmer: lassen uns Aufgaben zuweisen. In den meisten Fällen bleibt dabei außen vor, dass wir etwas bewirken könnten, statt nur etwas abzuarbeiten. Für das was anliegt, tragen wir meistens keine Verantwortung. Das ist sehr bequem, denn es gibt uns das Gefühl, etwas erreicht zu haben, lässt uns aber niemals als dessen Urheber in der Verantwortung stehen – es war halt gerade zu tun. Wenn wir uns selbst für etwas entscheiden, tragen wir die Konsequenzen davon mit und sehen unter Umständen auch mal schlecht aus. Für das, was man einfach nur erledigt, muss man selten geradestehen.

3 – Wir sehen das, was schon fertig ist, aber nicht das, was wird.

Ergebnisse aller Art sind bequem. Sie sind greifbar, vielleicht überraschend oder negativ, ziehen aber keine weiteren Überraschungen nach sich und lassen uns auf ihre Art in Ruhe. Selbst wenn sie uns nicht passen. Dass wir ohne es zu merken mit allem, was wir schon in der Hand haben, trotzdem noch am Anfang von etwas anderem stehen könnten, kommt uns nicht in den Sinn. Die Welt wird nicht anhalten, nur weil man mit etwas fertig ist. Wir müssen wohl oder übel dabei zusehen, was als nächstes passiert oder können vielleicht sogar Einfluss darauf nehmen, welche Form es haben wird.

2 – Wer sich immer eine Hintertür offenhält, übersieht den Haupteingang.

Vielleicht haben wir zu lange gesagt bekommen, dass wir etwas ganz Besonderes sind. Deswegen denken wir bei vielem, auch wenn es uns einigermaßen gefällt, dass etwas noch Besseres und, vor allem, Besonderes auf uns wartet. Vielleicht sehnen wir uns nach einem Zustand, auf den irgendjemand den Aufkleber „das beste und ganz besonders“ geklebt hat, damit wir endlich beruhigt sein können und nicht weiter Ausschau halten. Vielleicht könnten wir stattdessen öfter sagen: „das ist es jetzt, wir machen die Hintertüren zu.“

1 – Wenn die Guten nur zusehen und nichts machen, schadet das allen.

Es ist schwer zu sagen, wie viele stille Beobachter des Geschehens es gibt. „Wenn nur mal einer was machen würde, sähe das gleich ganz anders aus“, denken sich viele und warten auf den Startschuss. Es müsste nur mal einer heldenhaft anfangen, dann würde man gleich mitmachen – und dann ginge alles ganz schnell und die Welt (oder zumindest ein kleiner, bescheidener Teil davon) würde bald ein bisschen besser sein. Auf ein „man müsste“ sollten jedenfalls immer ein „wer“, „was“ und „wann genau“ folgen.